im Hostel hält mich nichts. Mit dem US-Amerikaner komme ich nicht ins Gespräch, die anderen Gäste sind schon alle weg, bis ich gegen halb neun aufstehe. Mir geht es erstaunlich gut, nicht mal ein kleiner Muskelkater ist in meinen Beinen. Ein richtiges Frühstück habe ich nicht, eine Banane und die Reste von einem Schoko-Kuchen. Aber ich habe gestern vor dem Losfahren noch ein paar meiner Energie-Riegel in die Lenkertasche gelegt, die mich heute hoffentlich durch den Tag bringen.
Draußen ist es etwas diesig, aber wenigstens ein paar Grad wärmer als gestern früh. Und immer noch stahlblauer Himmel und feinster Sonnenschein. Mal schauen, wie ich heute „durchkomme“.
Der US-Ami hat offenbar die Inderin bequatscht, ihn zur „Jackson Bay“ zu fahren, damit er wenigstens irgendetwas zu tun kriegt. Sie war gestern noch spät ins Hostel gekommen und enttäuscht vom Sternenhimmel hier. Es waren tatsächlich nur wenige Sterne zu sehen, keine Ahnung, woran das lag, an Lichtverschmutzung wohl nicht.
Im Hostel habe ich noch eine lokale Zeitung gesehen und auf der Titelseite ein Foto von der Crown Range gesehen. Dort bin ich vor etwa drei Wochen bei über 20°C drüber gefahren (vielleicht erinnert sich noch jemand?) – jetzt liegt da Schnee rum! Und wenn man es genau anschaut, sieht man dort sogar einen Merlin-Aufkleber neben dem „Nett hier“-BW-Aufkleber. Keine Ahnung, wo der herkommt, auf meinem Bild war der noch nicht drauf….
Bei diesem Ast kam mir auf die Schnelle das Queen Lied als Ohrwurm „I want to break free“.
Ansonsten lasse ich einfach wieder die Bilder sprechen, weil ich mit meinen Worten das alles gar nicht adäquat beschreiben kann.
Oben am Haast-Pass (diese Richtung war tatsächlich deutlich schwerer, mit Gepäck hätte ich – trotz dieser Aussicht – bestimmt ziemlich geflucht, Strava zeigt teilweise auch wieder hohe zweistellige Steigungsgrade an) habe ich dann noch den kurzen Spaziergang zum Aussichtspunkt gemacht. Ich war dort nochmal 150m höher und konnte das Flusstal gut sehen.
Die Abfahrt war nicht so rasant wie auf der anderen Seite und 3,5km nach dem Pass traf ich noch auf ein sehr, sehr junges Mädel, das sich auf dem zweiten Tag ihrer Radtour befand. Sie hat hier neun Monate darauf hin gearbeitet, saß jetzt aber mit offenbar schlimm schmerzendem Knie im Schatten am Fluss und wusste nicht weiter. Ich konnte ihr überhaupt gar nicht weiterhelfen, da ich kaum Erfahrungen mit Sportverletzungen habe, nicht wusste, wie es sich bei ihr überhaupt anfühlt und auch keinerlei Medikamente dabei hatte. Das lag nicht nur an meinem heutigen, reduzierten Gepäck, sondern daran, dass ich sowieso nichts brauche. Mit Medikamenten oder Salben werde ich mich auf meiner Tour nicht aufputschen. Wenn es nicht mehr geht, geht es nicht mehr – an den Punkt bin ich aber noch nicht gekommen.
Diese Grundlage ist natürlich nicht besonders gut geeignet, um sinnvolle Ratschläge zu geben, ich konnte ihr nur sagen, dass die nächsten 300km nicht unbedingt einfach werden und es teilweise sehr einsam wird. Ich an ihrer Stelle hätte wohl versucht, zurück in die „Großstadt“ Wanaka oder Queenstown zu kommen, um mal einen Arzt zu befragen. Diese Situation hat mich auf dem Rad noch ziemlich lange beschäftigt.
Bei der ersten Möglichkeit, ein Eis zu kaufen, habe ich natürlich sofort zugeschlagen, da war ich ja aber auch schon 90km unterwegs.
Dann traf ich wieder auf das kanadisch/deutsche Pärchen vom Vortag und wir sind die letzten 12km zusammen gefahren. Das Dörfchen Lake Hawea, unser heutiges Ziel, hat sich idyllisch im See gespiegelt.
Und sogar meine Anmerkung hier im Hotel scheint angekommen zu sein. Sie boten bisher nur Chicken- und Beef-Burger und Fish&Chips als „Hostel-Menue“ für 12$ an, nichts für Vegetarier. Zwei Tage später gibt es schon den vegetarischen Burger, ebenfalls für 12$. Das ist etwa die Hälfte des normalen Preises und damit wollen sie die eher „armen“, bzw. aufs Geld schauenden, Backpackern davon überzeugen, doch etwas mehr Geld hier im Hotel auszugeben und nicht nur ihr viel günstigeres, eigenes Essen zu kochen. Mich haben sie damit völlig überzeugt! Die zusätzlichen Wedges gehören nicht zur normalen Mahlzeit, die habe ich dazu bestellt, was natürlich immer zu komischen Situationen führt, wenn die Bedienung zwei Mahlzeiten zu einer einzelnen Person bringt. ;~)
Heute waren es natürlich wieder ähnlich viele Kilometer, wie gestern (61km + 85km) für die ich mit 7h allerdings etwas länger gebraucht habe. Das lag zum einen daran, dass ich 500m mehr klettern musste. Außerdem ging auch die Kraft und Motivation zu Ende. An die Hügel, die ich gestern im ersten Teil der Tour befahren haben musste, kann ich mich jetzt überhaupt nicht mehr erinnern. Was genügend Motivation und ein voller Kraft-Speicher alles ausmachen.
Zusätzlich wollte ich am Ende auch noch unbedingt über 145km „voll machen“ und bin daher jede Straße in Lake Hawea abgefahren. Dabei habe ich noch interessante Einblicke in das Dorf bekommen. Es gibt zwar keinen Supermarkt und auch sonst nix anderes, dafür sieht es für mich so aus, als ob hier die ganzen Reichen aus Queenstown und/oder Wanaka hier ihre Wochenend-Häuser haben. In einer Garage sah ich z.B. mehrere S-Works Rennräder, von denn ich mir nicht mal ein einziges leisten will – keines davon abgeschlossen und aufgrund des schlechten Straßen und des dünnen Straßennetzes frage ich mich, was man damit hier wohl anstellen kann.
Das mit den 145km hat mit Eddington zu tun, mein Lebensziel ist es, eine Eddington-Zahl von 145 zu erradeln, d.h. dass ich mindestens an 145 Tagen mindestens 145km geradelt sein werde. Es gibt dazu ein Kapitel in einem Wikipedia-Artikel, bisher habe ich ihn aber nur auf englisch gefunden.
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