es bleibt dabei, wild-zeltend schlafe ich nicht besonders gut. Um halb fünf kam ein Auto auf den Parkplatz, hat mal mit Fernlicht in mein Zelt geleuchtet ist dann umgedreht und hat ebenfalls dort übernachtet, zumindest standen am nächsten Morgen zwei Autos auf diesem Parkplatz. Irgendwann in der Nacht fing es auch sehr stark zum Regnen an. Das ist ja der Super-GAU. Um sechs geht der Wecker, ich stehe kurz drauf auf, ziehe meine klammen Klamotten an und die Regensachen darüber. Ich wundere mich noch kurz, wie ich es wohl geschafft habe, gestern mit zwei Socken ins Zelt zu gehen und jetzt nur noch einen davon zu finden; ist mir aber auch eher egal, dann ziehe ich halt nur den einen an und pack, immer noch im Regen, das klatschnasse Zelt ein.
Ich fahre jetzt in die Stadt Niagara Falls rein. Meine Motivation quasi bei 0, wenn diese Skala negative Werte hätte, wäre ich sicherlich dort am Anschlag. Regen und frühes Aufstehen, dazu die Aussicht auf Gegenwind (wenn ich dem Gespräch von gestern glauben darf) macht mich fertig. Ziemlich am Eingang der Stadt ist ein Tim Hortons (ein Fast-Food Restaurant mit Kaffee, der vermutlich mit abhängig-machenden Drogen versetzt ist, anders lasse sich dessen Erfolg nicht erklären) und ich nutze dessen freies WLAN. Dafür muss ich aber erstmal meine Hände etwas trocken bekommen und gehe dort auf die Toilette, um den Handfön zu benutzen, Papierhandtücher gibt es nicht. Ich habe natürlich eine große Wasserspur hinter mir hergezogen, so dass sie direkt hinter mir diese gelben Warnpilonen aufgestellt haben.
Der Wetterbericht sagt, dass in etwa 90min dieses heftige Regengebiet durchgezogen sein wird. Na toll, hätte ich das vorher gewusst, wäre ich vielleicht noch bis Neune am „Zeltplatz“ geblieben. Tagsüber ist das vermutlich alles kein großes Problem, da kann ich ja jederzeit schnell einpacken. Der Vorteil an der ganzen Sache: Ich habe die Niagara-Fälle für mich – und das am langen „Labour-Day“ Wochenende! Auf dem ganzen Weg durch die Stadt an den Fällen vorbei begegnete ich keinen zehn Leuten. Die Freude ist, aufgrund des Regens, natürlich sehr getrübt; auch will ich nicht ausprobieren, worin denn genau die Gefahr liegt, wenn man mit diesem Geländer tanzt.
Arg viel mehr Bilder will ich gar nicht machen, ein Telefon habe ich auf der Reise schon kaputt gemacht, und wenn ich dieses hier ständig im Dauerregen benutze, wird es bestimmt nicht besser.
Dann geht es weiter und es wird tatsächlich weniger Regen, der danach sogar ganz aufhört. Es gibt ein paar Brücken in die USA. Sehr ironisch dabei ist, dass eine dieser Brücken die „Peace-Brücke“ ist.
Selbstredend habe ich einen großen Bogen um alle Möglichkeiten gemacht, in die USA zu kommen.
In Niagara-by-the-Lake, einem kleinen Touri-Dorf 15km nördlich von Niagara Falls finde ich dann endlich was zum Essen und kaufe in zwei Bäckereien erstmal alle günstigeren Artikel vom Vortag auf. Ich ziehe die nassen Schuhe aus und Trockene an, dazu packe ich die Regensachen wieder weg. Ich hoffe, dass mit der aufkommenden Sonne meine Radsachen auch fix trocknen werden, was mein Wohlbefinden sicherlich deutlich verbessern würde. Das lokale Fort darf man nur mit so einem Golf-Buggy oder zu Fuß besuchen – dann halt nicht.
Dank Gegenwind kann ich heute nicht mal davon sprechen, dass ich „fahre“, es ist eher ein „schieben“, ohne dabei die Füße am Boden zu haben und ich mache einen planlosen Kilometer nach dem nächsten. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit heute: 14,1km/h laut Strava (an meinem besten Tag auf dieser Reise war ich doppelt so schnell!). Keine Ahnung, wo ich heute bleiben soll, aber die letzte Nacht hat eher den Eindruck bei mir hinterlassen, heute etwas besser zu machen.
Bisher deutet aber noch nichts darauf hin. Ich komme an einigen Weingütern vorbei, eines davon scheint deutsche, oder gar urschwäbische Wurzeln zu haben, zumindest lässt dieses Straßenschild darauf schließen. Uhlbacher Straße – vermutlich handelt es sich um das Uhlbach bei „meinem“ Stuttgart, wo ich im Winter noch eine Tour gemacht habe und meine Wasserflasche eingefroren ist.
Als ich dieses Bosch-Schild fotografiere (eigentlich sind es sogar zwei), fährt ein Pärchen recht zügig hinter mir vorbei, auch mit Taschen und Zelt. Offenbar tourend, wenn auch nur kürzer, weil es nur recht kleine Taschen sind. Ich hole sie tatsächlich ein, damit habe ich ja, wegen fehlender Motivation, überhaupt nicht mehr gerechnet. Sie fahren nur übers Wochenende von Toronto aus ein paar Tage rum und haben den gleichen Mist-Wind erwischt. Ich hoffe, von ihnen einen Übernachtungs-Tipp zu bekommen oder einen Zeltplatz teilen zu können. Ist aber nicht so, sie werden bei Freunden in Hamilton übernachten, was mir heute eigentlich zu weit ist und auch für die morgige Planung nicht so ganz passt. Sie meinen aber, dass es auf dem weiteren Weg viel Farmland gäbe, wo man problemlos zelte könnte. Ich steige jedoch bei einem Zeltplatz auf dem Weg aus der Gruppe aus (wir haben noch ein älteres Pärchen auf ihren Rennrädern eingesammelt). Am Zeltplatz ist das Mädel am Eingang etwas damit überfordert, dass ich ohne Wohnmobil nur einen Platz für mein Zelt suche. Das machen sie hier eigentlich nicht, ich soll doch mal reinfahren und schauen, ob ich mit der Wiese vor dem Dusch/WC/Wäsche-Haus leben könnte, sie ruft solange mal die Managerin an. Das läuft ja super, wenn ich erstmal drin bin, mache ich gleich mal den „Hier-schnell-Duschen-Trick“! Frisch geduscht bin ich kurz später wieder bei ihr und sage, dass mir die Wiese durchaus passt, was es denn kosten würde. Die Managerin sagte, dass es der ganz normale Preis, wie für ein Wohnmobil, sei. Und der ist, will ich wissen, um dann $50 zu hören. Ich frage zur Sicherheit nochmal nach, ja es sind tatsächlich fünfzig Dollar, dafür dass ich mein Zelt ein paar Stunden dort aufbauen darf. Dieses Angebot lehne ich natürlich ab und mache mich auf die Suche nach einem wilden Zeltplatz. Vom angekündigten Farmland sehe ich aber nichts, auch hier sind wieder „bessere“ Häuser bis ans Seeufer gebaut. Dann versuche ich mal die andere Richtung, landeinwärts. Da gibt es eine Sackgasse, die zu dem „Bruce-Trail“ im Wald führen soll. Jedoch ist der Zugang zum Trail zu eng, zu steil und zu steinig/wurzelig, als dass ich mein vollgeladenes Rad dort hin bekäme.
Daher frage ich bei einem Haus in der Sackgasse nach, ob es nicht möglich wäre oder sie ein Problem damit hätten, wenn ich mein Zelt auf der Brachfläche gegenüber aufstellen könne. Dort kriege ich von Ben und Denise gleich gesagt, dass das natürlich geht, aber ihr Rasen wäre deutlich bequemer, und ich dürfe das Zelt auch gerne dort hin stellen. Ben entschuldigt sich schon fast, dass sie gerade kein freies Zimmer haben, welches sie mir anbieten können. Das ist für mich aber natürlich überhaupt kein Problem, ich schlafe auch problemlos im Zelt und die Temperatur soll auch nicht unter 13°C fallen, so dass ich die angebotenen Decken auch nicht brauche. Kurz darauf steht mein Zelt im Garten und ich hoffe, dass es noch trocknet, bis ich mich später rein legen werde (es ist natülich im wasserdichten Sack überhaupt nicht getrocknet, seit ich es heute früh einpackte). Ihre drei Kinder schauen allem interessiert zu und ich merke, dass ich bei der Kommunikation mit kleineren Kindern immer noch Probleme habe. Es fällt mir ja in Deutschland schon etwas schwer, die passenden Gesprächsthemen mit Kindern zu finden, in einer fremden Sprache wird das ungleich schwerer. Dann wird mir noch Pizza angeboten und bei interessanten Gesprächen trinken wir noch ein 150-Jahre-Kanada Craftbier.
Es bestätigt sich immer wieder, dass die Kanadier super-freundlich sind! Ohne diese Gastfreundschaft hätte ich meine Reise vermutlich schon abgebrochen. Und mir wurde schon öfters gesagt, dass die Leute in Nova Scotia erst recht bekannte dafür sein sollen. Darauf bin ich ja echt mal gespannt!
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