Flour Bay – Sault Ste. Marie

kurz nach dem Aufwachen schaue ich mir erst mal noch kurz die Bucht/Strand an, an dem ich die letzte Nacht übernachtet habe. Es ist in der Tat recht schick hier, und es macht den Eindruck, dass hier öfters mal Leute übernachten. Zumindest gibt es Feuerstellen und auch jede Menge Graffiti auf den Steinen.

Besuch habe ich offenbar auch. Auf meinem Helm hat sich eine neongrüne Spinne niedergelassen. Die schüttle ich noch ab, nicht dass sie sich irgendwo im Helm versteckt und irgendwann mitten auf der Fahrt durch mein Gesicht läuft.

Weil ich das Zelt genau dort zusammengepackt habe, wo morgens der Schatten ist, muss ich noch warten, bis es trocknet. Daher werfe ich noch einen zweiten Blick über „meine“ Bucht.

In der Zwischenzeit ist alles in der Sonne und auch genügend getrocknet.

Dann geht es auf die (vermutlich/hoffentlich) letzten knapp 100km durch verlassene Landschaften. Bis Sault Ste. Marie soll wohl nicht mehr viel kommen. Nachdem ich das schon wochenlang so mitgemacht habe, komme ich heute damit bestimmt auch noch klar.
Auf dem Weg ist noch ein Zeltplatz mit einem „Camping Shop“, in dem es – wenn man dem Schild trauen kann – hauptsächlich Alkohol gibt. Soviel zum Camping. Ich trinke hier kaum was, weil es in normalen Lebensmittelgeschäften oder Tankstellen kein Bier gibt, dazu muss man in spezielle „Liquor Stores“ gehen. Dazu muss man sie aber erstmal finden und dann auch noch zu deren Öffnungszeiten da sein. Das ist mir alles zu blöd und ich lasse es einfach sein.

Dies ist der letzte Blick auf den Lake Superior. Dieses Kapitel ist damit nach ziemlich genau einer Woche auch abgeschlossen.

Ich komme noch an der Markierung vorbei, die die Hälfte des TransCanada-Highways anzeigt. Zumindest wurde mir das gesagt, gesehen habe ich sie nicht. Das lag entweder daran, dass ich mit etwas anderem beschäftigt war, oder meine Augen mal wieder nicht von der (wie üblich) miserablen Straße nehmen konnte, ohne in Schlaglöcher oder Längsrillen zu kommen.
Aber das Schild für das Restaurant, in dem es auch Selbstgebackenes gibt, habe ich natürlich gesehen! Selbstverständlich halte ich an und hole mir so ein Brownie. Draußen auf dem Parkplatz ist ein 89-jähriger in seinem Auto, der mir von seinen Radreisen erzählt. Angefangen hat er mit 57, als er in Rente gegangen ist und er hat dann einige Jahre alles mögliche befahren. Dazu sagt er mir, dass das die besten Jahre seines Lebens waren, einfach jeden Tag tun und lassen können, was man will.

Dann kommt aber noch ein kleines „Gebirge“, nämlich die Superior Highlands. Also wieder von 180m auf gut über 400m hochtreten und dort oben jede Menge Hügelchen. Naja, beim heutigen Wetter ist das kaum ein Problem und ich bin ja nicht in Eile.

Das habe ich auch schon öfters gesehen: ein Verkehrsschild auf einem Verkehrsschild.

Als ich mir mein Rad heute mal anschaute, ist es doch ein ziemlicher Unterschied zum ersten Tag. Inzwischen ist nicht nur das Zelt dazu gekommen, auch einige Sachen, die in den Taschen waren sind nach außen gewandert und ich hatte in der letzten Zeit öfters noch irgendwelche Lebensmittel oder gar Wasserflaschen irgendwo hingebunden.

Und auch in der Lenkertasche sollte in nächster Zeit wieder Ordnung einkehren. Wobei solche Karotten ein recht guter Zeitvertreib auf der Straße sind.

In Sault Ste. Marie (oder „the Soo“, wie es die Einheimischen nennen) komme ich an dem Schild „WHAM“ vorbei, entweder heißt eine Familie oder eine Firma dort so; ist aber auch egal, ich habe sofort einen nicht ganz zur Jahreszeit passenden Ohrwurm.

Dann bin ich am Ziel: velorution! Ich habe von jeder/m RadfahrerIn von diesem Ort gehört und es war die Motivation für einige lange Kilometer um den Lake Superior. Jetzt bin ich dort und habe noch eine Packung Donuts von der Bäckerei ums Eck mitgebracht. Ich werde freundlich willkommen geheißen und mir der Zeltplatz und die restlichen Örtlichkeiten gezeigt. Keine Fragen über meine Reise, nur noch „einen schönen Tag!“.

Ich baue mein Zelt auf und als ich gerade in die Stadt aufbrechen will, tauchen zwei Gestalten am Zeltplatz auf. Für mich machen sie den Eindruck, dass es (ex-)Drogenabhängige sind. Sie sind nicht mit dem Rad unterwegs und ich will all mein Zeugs nicht alleine mit ihnen lassen. Dabei wollte ich gerade los in die Stadt zum empfohlenen Burger-Laden. Sie halten noch einen anderen an, der gerade vorbeikommt und reden nun zum Glück mit ihm. Dann taucht noch Julie auf, sie reist per Rad und ist sichtlich verwundert über diese Gesellschaft hier, baut ihre Hängematte(!) aber trotzdem auf. Zum Glück verziehen sich die Junkies sich dann wieder und wir können in Ruhe über unser Fahrrad-Themen reden. Sie macht so im Schnitt 200km pro Tag und das schon seit drei Monaten. Nach der Reise durch die USA wollte sie einfach nicht mehr aufhören. Jetzt reist sie halt einfach weiter und besucht alle möglichen Freund und Bekannte, die sie so in Kanada hat. Wer weiß, vielleicht wird sie auch irgendwann mal sagen, dass das die beste Zeit ihres Lebens gewesen sein wird….


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