ich weiß nicht, was mich seit gestern schon so nervös macht. Strecken von 130km habe ich wahrlich schon öfters gemacht (laut Aufzeichnungen bereits 97x 127km, was laut Karte die heutige Distanz sein müsste), sogar schon mit Gepäck. Aber irgendwie fühle ich mich heute doch etwas nervös. Am Wetter liegt es nicht, das ist ziemlich perfekt, wenn auch etwas kühl.
Auf den Berggipfeln liegt Schnee, ich vermute, dass er in den letzten Tagen neu gefallen ist. Ich hoffe nur, dass der Pass nicht zugeschneit ist, denke aber, dass er mit seinen ca. 600m nicht hoch genug sein wird.
Ich habe ständig Gänsehaut, teilweise bestimmt wegen der Kälte (immerhin habe ich mich dazu entschlossen, in kurzer Montur loszufahren) – andererseits jedoch wegen der Szenerie hier. Es ist unbeschreiblich, zumindest finde ich keine passenden Worte dafür.
Hier sind einfach mal ein paar Bilder.
Nachdem es Anfangs zuerst am Lake Hawea entlang geht, kommt danach ein kleinerer Sattel zum Lake Wanaka, wo es für weitere Kilometer entlang geht. Danach bis zum Pass durch das riesige Tal des Makarora-Flusses.
Ab und zu ging es auch kurz durch den Regenwald, der durch die starken Regenfälle der letzten Tage ziemlich aufgelebt ist.
Dann bin ich schon bei der Hälfte, auf dem Haast Pass. Von dieser Seite her war es recht einfach diesen zu erklimmen, wie man auf der Strava-Aufzeichnung gut sehen kann. Auf dem Weg nach hier oben habe ich zwei Radler überholt, die ihre Räder schoben, und oben kamen noch zwei aus der anderen Richtung an. Während ich kurz Pause mache und mit den beiden quatsche, es ist Jordan aus Kanada und Kathrin aus Düsseldorf, kommen die Überholten an und drängen sich ins Gespräch. Es sind Kanadier aus Quebec und versuchen in ihrem gebrochenen Englisch das Gespräch zu übernehmen. Da taucht noch ein sehr leicht bepackter Tourenradler auf, ist aber ziemlich schnell wieder auf dem Rad und eilt weiter. Nachdem die Franco-Kanadier mich nicht ins Gespräch lassen und ihre Themen für mich nicht interessant sind, verabschiede ich mich auch wieder und fahre weiter. Bisher lief es ziemlich gut, ich komme recht schnell voran und die Hügel auf dem Weg drücke ich einfach weg, als ob nichts wäre. Es ist ein super Tag!
Auf der anderen Seite kommt eine recht lange und steile Abfahrt, auf der ich – ohne es überhaupt versucht zu haben – meine bisher schnellste Geschwindigkeit fahre: 83km/h.
Danach geht es im Tal des Haast-Flusses weiter bis an die Küste.
Ich sehe auch die „Narben“ des letzten Sturms, als diese Straße gesperrt wurde. Es gab zwei Stellen, an denen offenbar größeres Gestein auf der Straße gelegen haben muss
und zwei Stellen, an denen es kleine Erdrutsche gegeben hat. Beides sieht nicht so aus, als ob es uns damals, als die Straße offiziell gesperrt war, mit dem Fahrrad länger aufgehalten hätte.
Auf der Strecke habe ich den vermutlich schnelleren Radler, der mich in der Haast-Pass-Pause überholte, in seiner Pinkelpause eingeholt (natürlich nicht ohne zu fragen, ob bei ihm alles in Ordnung ist) und dazu noch zwei Deutsche und einen Iren überholt, den ich bereits am Pausentag in Lake Hawea kurz getroffen habe. Die drei erzählen mir, dass Gayle, die Australierin, irgendwo vor uns ist. Mit dieser Information und dem Wissen, „gejagt“ zu werden, hole ich unbekannte Kräfte aus meinem Körper raus und ich schaffe es, einen Schnitt von beinahe 25km/h zu fahren, sogar mit Gegenwind auf den letzten ca. 20km und 1500 Höhenmetern. Vielleicht lag es auch einfach nur an den drei Pausen-Tagen.
Gayle hole ich fast ein; als ich in Haast ankomme, ist sie nur sehr kurz vorher an der dortigen Touristen-Info angekommen, die letzten zwei Kilometer zu ihrem Zeltplatz fahren wir zusammen. Ich fahre dann noch 5km weiter, um einen letzten Blick auf die Westküste zu werfen.
Haast selbst ist ein winziges Kaff. Ich genehmige mir zur Belohnung eine 1l-Vanilleeis-Packung und checke im Hostel ein. Das ist übrigens das erste, was ich auf meiner Reise (vor)gebucht habe, da ich ja keinen Zelt-Joker dabei habe. In meinem Zimmer ist noch ein US-Amerikaner, der hier vier Tage gebucht hat und bereits am ersten vor Langeweile stirbt.
Da es hier nicht mal ein Telefonnetz oder Internet gibt, kann ich anhand der gemachten Bilder die heutige Tour nochmal auf mich wirken lassen.
Wow – das war beeindruckend und auf jeden Fall wert, hierher gefahren zu sein! Dass es an einem so perfekten Tag passierte und ich durch die anderen Radler auf der Strecke zu „Höchstleistungen“ (147km in 5:56h) motiviert wurde, war nur das Tüpfelchen auf dem i.
Die Nervosität ist seit dem Pass völlig verflogen gewesen und auch der morgigen Fahrt auf dieser selben Strecke zurück sehe ich nun sehr gelassen entgegen.
Relive ‚fast ohne Gepäck mal schnell nach Haast ballern!‘
Schreibe einen Kommentar