heute stehe ich mal recht früh auf, um mit meinen Gastgebern zu frühstücken. Draußen sieht es nicht besonders gut aus, die Wettervorhersage hat aber nur eine geringe Regenwahrscheinlichkeit. Ich packe meine Sachen ein und muss mir noch überlegen, ob ich eine aufblasbare Thermarest-Matratze haben möchte; die ist hier übrig. Allerdings befürchte ich, dass sie (so wie ich sie auch meinem Rad transportieren könnte) diese Reise nicht überlebt. Daher habe ich mich auch für die robustere „normale“ Isomatte entschieden. Auch wenn das nicht die komfortabelste Wahl ist.
Als ich gerade fertig bin, kommt ein Regenschauer. Mist. Das war so nicht geplant, alle Regenklamotten sind gut verstaut. Also werfen wir ein Blick auf das Regenradar. Es ist wohl nur ein schmales Regenband, das gerade Richtung Süden (meiner heutigen Reiserichtung) wandert. Ich entscheide mich, einfach noch ein Stündchen oder so zu warten und schreibe dabei einen Eintrag für hier.
Der Regen hat sich inzwischen verzogen, aber gut sieht es da draußen nicht aus. Und es ist kalt. Gerade mal 12°C und es soll den ganzen Tag nicht wärmer werden. Was solls – ich muss ja irgendwann los, warum nicht jetzt. Ich bedanke mich noch mehrmals und fahre zur Touristen-Information. Dort erzähle ich den Leuten stolz von meinem „Home-Stay“. Sie sind etwas erleichtert, da sie mich eigentlich heute früh irgendwo dort in meinem Zelt erwartet hatten. Die – wie ich vermute – Chefin dort sagt, dass sie das durchaus auch mal machen könnte, aber bei allein reisenden Männern will sie es eher nicht machen. Ich sage ihr, dass sie vielleicht heute oder morgen die Chance bekommt, es bei einer alleine reisenden Kanadierin mal auszuprobieren und dass sich Reise-Radler über so etwas sehr freuen! Mal sehen was passiert….
Martin ist auch hier, er zeltete hier, wie ich erwartet hatte. Ich erkläre ihm die Situation, während er zwischen all seinen verteilten Sachen sitzt und wartet, dass diese trocknen. Jetzt kann ich – es ist mittlerweile auch schon wieder 12 Uhr – endlich losfahren, nur noch schnell eine Foto von den Öffnungszeiten hier schießen (die offenbar an die Verfügbarkeit von 8en angepasst wurden).
Kurz nach dem Start komme ich in den Lake Superior Provincial Park.
Eigentlich hätte ich da vermutlich auch eine Gebühr zahlen müssen und die Bestätigung dafür auf mein Amaturenbrett legen sollen. Naja, ohne Amaturenbrett keine Gebühr, oder?
In diesem Park gibt es ein paar Zeltplätze und diese „Pictographs“, sehr alte Zeichnungen auf den Steinen direkt am See. Da dort heute aber starker Wellengang ist, kann ich mir die ganze Pracht nicht anschauen, ohne nasse Füße zu bekommen. Das macht bei den heutigen 12°C – die sich übrigens auf dem Rad noch kälter anfühlen – keinen Spaß und ich verlasse diesen Ort ohne alles gesehen zu haben.
Auf dem Weg nach White River hat mich die Ankündigung alle 20km noch ziemlich motiviert. Hier ist es anders. Ich weiß, dass in den nächsten 200km mehr oder weniger nichts sein wird. Keine Ortschaft, vermutlich kein Zeltplatz, kein Lebensmittelgeschäft.
Nur Straße, Wälder, Seen, Flüsse und Hügel.
Dann komme ich nach sehr langen 140km kurz vor der Dunkelheit an den GPS-Koordinaten an, die mir Mark gestern genannt hat. Ja, es ist tatsächlich so eine Art „freier Zeltplatz“, natürlich ohne jeglich Infrastruktur. Diese langen 140km waren „nötig“, um morgen dann nach einer kürzeren Fahrt mit reduzierten Lebensmitteln endlich in der nächsten Stadt anzukommen (und auch ein bisschen dazu, genügend Abstand zu Martin aufzubauen). Ob der Kälte verwerfe ich die Idee, ein kurzes Bad im See zu nehmen, noch bevor ich sie zuende gedacht habe. Ich baue mein Zelt auf, esse die Reste vom gestrigen Abendessen (kalt, weil alles Holz, das ich hier finden kann, sehr nass ist und sich nicht anzünden lässt. Selbst wenn, ich wüsste nicht mal wie ich es in der Plastikdose erwämen sollte) und hänge meine restlichen Lebensmittelvorräte in einem Baum auf.
Dazu brauche ich zwei Versuche, weil der erste Ast abgebrochen ist. Dabei lerne ich noch, dass es keine gute Idee ist, mit einer Taschenlampe im Mund rumzulaufen, da man dann von 1000enden fliegenden Viechern im Gesicht „besucht“ wird. In mein Zelt nehme ich noch das Bärenspray mit. Auf meiner ganzen bisherigen Reise bin ich heute Nacht vermutlich am weitesten von Menschen weg. Das Radio hat keinen Empfang, meine kanadische SIM-Karte kriegt hier auch kein Netz. Der Highway führt zwar in der Nähe vorbei, das Rauschen des heute relativ wilden Lake Superior übertönt jedoch alle Geräusche der Autobahn, und eine Zugverbindung ist auch keine in der Nähe (wie sonst überall), die meine Nachtruhe stören könnte.
Morgen sollen dann sowohl die Regenwolken, als auch die darüberliegende Bewölkung (vermutlich der Grund für die heutige Kälte) weg sein. Endlich wieder Sonne und vernünfige Temperaturen. Das könnte eine gemütliche 95km-Reise nach/in „The Soo“ werden, wie die Leute hier die Stadt Sault Ste. Marie nennen.
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