Rowden – Middleton

aufgrund der „Party“ letzte Nacht sind die Leute hier auf dem Zeltplatz nicht besonders früh unterwegs. Das passt mir mal ganz gut. Das einzige was jetzt noch stört, sind die Krähen. Ich verteile meine Sachen auf den sonnigen Stellen und warte bis alles vom Tau der Nacht trocknet. Bevor das Leben hier auf dem Campingplatz richtig erwacht bin ich schon unterwegs – es gibt ja auch keinen Grund, hier zu bleiben.

Nach einer guten Stunde Fahrt gibt es dann endlich Frühstück (passend zum heutigen Tag alles tiefbraun).

Keine Sorge, das war nicht alles, beim nächsten Supermarkt habe ich noch ordentlich zugeschlagen. In der Touristen-Information wollten sie mir dann eine „Tagestour“ von etwa 25-30km aufschwatzen, ich bedankte mich dafür, sagte, dass ich eher so an weitere 100km denke und versuche es mit diesen Randbedingungen nochmals.

Aber das kam scheinbar nicht richtig an, mir wurde wieder das gleiche erzählt. Nagut, dann halt ohne Infos weiterfahren.

Im Kopf habe ich natürlich das Ergebnis der Wahl, das ich aufgrund der Zeitverschiebung schon langsam mitkriege.
Im Spaß hatte ich vor meiner Abreise noch gesagt, dass ich nicht wieder nach Deutschland komme, falls die AfD etwas zu sagen bekommt. Gut, dieses Mal ist es noch nicht so weit, aber in zwei oder drei Legislaturperioden könnte das anders aussehen (wenn sie sich bis dahin nicht selbst zerlegen, wie es z.B. die Schill-Partei oder die Piraten schon mal vorgemacht haben). D.h. ich sollte mich in sechs bis zehn Jahren langsam um einen Neuanfang außerhalb Deutschlands kümmern (und das ist jetzt kein Spaß mehr).

Vom Wahlkampf habe ich außerhalb von Deutschland nichts mitbekommen, das einzige was ich immer wieder hörte, waren Wahlaufrufe, um die AfD zu verhindern. Das ist natürlich genauso Blödsinn, wie die Prozentrechnung der AfD (die damals die 10% von zwei unterschiedlichen Meinungsforschungsinstituten zu 20% zusammenaddierten).
Abgesehen davon habe ich mich von der Politik schon länger verabschiedet. Mir ist noch eine Koalitionsverhandlung vor vielen Jahren im Kopf, als eine Partei mit der Aussage 16% MwSt, die andere mit 18% MwSt antrat – am Ende haben wir, wie alle wissen, 19% bekommen. Und ich dachte mir damals schon: Wollen die mich eigentlich verarschen?
Und so ging es munter weiter, die Agenda 2010, die mit einem Sozialstaat überhaupt nichts zu tun hatte, Nobbi’s Aussage, dass die Renten sicher seien (worüber jede/r lachte, und nicht, weil der Typ einfach ein Kasper ist), Schwarzgeldkassen bei den Schwarzen, (Mövenpick-) Großspenden bei allen anderen Parteien, mit denen sich politische „Gefälligkeiten“ gegen die Bürger erkauft werden, usw. usf.
Als Stuttgarter habe ich natürlich noch die Grünen erlebt, die damals gegen das unsägliche S21-Projekt wetterten und – kaum dass sie an der Macht waren – all das „vergessen“ haben, es wird seit der Wahl immer weiter gebuddelt und Geld verschwendet. Aktuell wird man vom Verkehrsministerium (und allem, was dazu gehört) beim Thema Feinstaub und NOx an der Nase entlang geführt und die Politik tut alles für die Wirtschaft und gegen die Gesundheit der Bürger. Dazu erlebe ich in Stuttgart (außer der Feinstaub- ist es ja ganz nebenbei auch noch die Stau-Hauptstadt), dass niemand aus der Politik etwas für eine Fahrrad-Infrastruktur unternimmt (was die einfachste Lösung dagegen wäre), wie es alle anderen Großstädte der Welt vormachen, sondern alle Bestrebungen in diese Richtung sogar aktiv boykottiert werden.

Fazit: „Die Politik“ in Deutschland geht schon lange in die falsche Richtung, und das in vermutlich allen Bereichen, keine Partei hat auch nur den Ansatz einer Lösung für einige der aktuellen Probleme, geschweige denn für alle. Diese Leute dann einmal in vier Jahren mit einem Kreuz für ihren Mist zu „legitimieren“ und dabei „das kleinste Übel“ zu wählen (was durch Koalitionen immer zu einem großen Übel wird), wäre zwar meine Aufgabe als Bürger – aber das sehe ich einfach nicht mehr ein.
Jetzt haben wir den Mist und müssen uns halt mit den (un-)gewollten täglichen Tabu-Brüchen der AfD auseinandersetzen und werden zusehen, wie unsere Gesellschaft täglich noch viel weiter nach rechts rücken wird. Dass es dadurch sicherlich nicht lebenswerter wird, sollte allen klar sein, wenn sie auch nur ein bisschen klar denken können; und dass wir jetzt 94 „ich bin ja kein Nazi, aber“-Menschen (plus allen ihren z.T. vorbestraften Mitarbeitern) vier fette Jahre spendieren gehört wohl auch zur Demokratie dazu.
Meiner Meinung nach liegt das nicht an den paar Flüchtlingen, die haben letztendlich nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Jede/r aus meiner Generation weiß, dass er/sie keine vernünftige Rente mehr kriegen wird, die Krankenversicherung wird schon fast jährlich weniger wert (d.h. teuerer und weniger Leistungen), eine Arbeitslosigkeit führt einen nach kurzer Zeit nach Hartz IV (was für ein Teufelszeug das überhaupt ist), jede/r kennt „working poor“-Leute, die trotz Vollzeit-Job kaum genug Geld zum Leben haben und einen zweiten Job machen müssen, Steuern müssen nur noch ab der Oberschicht abwärts gezahlt werden, etc (die Liste könnte laaaaange weitergeführt werden).
Die ganze Gesellschaft ist kaputt und niemand aus „der Politik“ hat jemals etwas dagegen unternommen, ganz im Gegenteil. Ich kann verstehen, dass die Leute die Schauze voll davon haben und bei der unendlichen Blödheit der Menschheit (wie es Einstein schon gewusst hatte), ist es eigentlich ein recht gutes Ergebnis, dass die AfD von 87% nicht gewählt wurde (und die restlichen 13% werden hoffentlich irgendwann mal merken, dass die AfD nicht viel anbieten kann, und erst recht keine Alternative)….

Nagut – genug abgeschweift.
Hier auf dem Zeltplatz werde ich von einem solchen (Deko-) Gefährt begrüßt und mir wird tatsächlich mal wieder ein etwas günstigerer Preis angeboten.

Ich fahre noch kurz ins Städtchen und kaufe ein bisschen Essen ein. Und ich muss sagen, dass ich das tatsächlich nicht alles gegessen habe, obwohl ich heute wieder gegen den Wind kämpfen musste. Um halbvier habe ich festgestellt, dass ich noch 65km vor mir habe und das bei dem Wind (inkl. Pausen) noch bestimmt vier Stunden dauern wird. Ich habe aber nur noch dreieinhalb Stunden Tageslicht, bevor die Sonne untergeht. Also habe ich die Pausen deutlich gestrichen und versucht, etwas schneller zu fahren. Der Wind ist dafür immer stärker geworden.
Geschafft habe ich es dann zum Glück trotzdem und die Anstrengung hat mich dazu verleitet, etwas mehr zum Essen zu besorgen. Den Rest habe ich dann einfach als erstes Frühstück gegessen.

Als ich im Zelt bin, klingelt plötzlich das Telefon. Ich gehe aus Interesse mal ran und werde zu einer Meinungsumfrage eingeladen. Wo ich wohne? Ich sage, dass ich gerade auf der Straße, bzw. im Zelt lebe. Aha, und was meine Postleitzahl ist. Hm, ich sage es nochmal. Wieviele Leute denn in meinem Haushalt leben. Ich sage, dass das so wohl wenig Sinn macht, wenn er schon die erste Antwort nicht verstanden hat, die wohl für jede weitere Frage relevant ist. Er will mir die Unterlagen zuschicken. Ich sage nochmal, dass ich gerade auf der Straße wohne und das nicht geht. Ich glaube, so langsam hat er es verstanden (oder auch nicht) und beendet das Gespräch. Die beiden Radiosender spielen nix vernünftiges und ich lasse mich daher für heute ins Fress-Koma fallen.

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