die Wettervorhersage ist wieder nicht berauschend, entsprechend gering ist meine Motivation. Und während ich so das Hostel erkunde, das eigentlich eher aus diversen Privathäusern besteht, erkenne ich ein bekanntes Rad wieder. Es sieht so aus, als ob Colin auch hier ist und kurz drauf sehe ich ihn sogar in einer der Küchen.
Zuerst muss er noch einen neuen Schlauch kaufen, das verstehe ich natürlich. Ohne Ersatz-Schlauch würde ich mich auch nur ungern auf den Weg machen. Zum Glück gibt es hier am Rail Trail jede Menge Fahrrad-Geschäfte.
Bis Cromwell, so ca. 30km lang, überschneiden sich unsere Wege und da es Windstill ist, macht es sogar Spaß, hier zu fahren. Da es hier doch recht viel und schnell befahren ist, fahren wir nicht neben- sondern hintereinander und ich übernehme die Führung. Hier war ich nur kurz für das Bild hinter ihm.
Wie es hier wohl aussehen würde, wenn es kein grauer Himmel, sondern strahlender Sonnenschein wäre?
In Cromwell steht dann dieses Kunstwerk, übergroße Äpfel und Birnen. Dazu sehe ich noch ein Plakat für ein Musik-Festival, das River Range Fest am 24. Februar. Mal sehen, was das überhaupt ist und ob ich dann nicht zufällig wieder hier sein könnte.
Dann kommt doch noch ein bisschen Rückenwind auf und ich fliege die nächsten 30km nur so dahin. Welch positive Abwechslung zu dem sonst katastrophalen Gegenwind, den ich die letzten neuen Wochen hatte!
In der Ferne scheint es schon ein bisschen zu regnen, ich hoffe, dass es mich nicht erwischt. In der Ortschaft Luggate treffe ich noch das Pärchen aus England, das ich bereits in Greymouth traf. Sie haben sich in Wanaka auf einem Zeltplatz stationiert und machen nur noch kurze Tagesausflüge ohne Gepäck. Sie laden mich gleich ein, mitzukommen, aber aufgrund des aufziehenden Sturms ziehe ich es vor, in ein Hostel zu gehen. Mein Plan, den Haast Pass zu befahren steht immer noch, die Frage ist nur: wann ist der Sturm vorbei und wann kann ich dann weiterfahren? Und Wanaka wäre eben noch 15km weiter für die beiden Tagesetappen von und nach Haast als Lake Hawea, das ich mir als Ziel ausgesucht habe.
Auf jeden Fall interessant, wie lose das Straßennetzwerk hier ist, dass man ständig die gleichen Leute trifft.
Dummerweise dreht der Wind etwa 30km vor dem Ziel um 180°, aus dem gemütlichen Rückenwind wird auf einmal wieder der zu bekannte und gehasste Gegenwind. Inzwischen realisiere ich auch, was es hier eigentlich so schwer zum Fahren macht: der Wind kommt nicht genau von vorne, sondern von allen möglichen Richtungen von vorne. Ich muss also ständig stark lenken, damit der Wind mich nicht von der Straße oder in den Gegenverkehr bläst. Das war vor allem auf der Schotterstraße gestern nötig, da man dort sowieso kaum Haftung hat. Ich bemerke jetzt, dass ich einen leichten Muskelkater im Schulter- und Armbereich habe. Das hatte ich beim Radfahren noch nie.
30 unendlich lange Kilometer später komme ich dann in Lake Hawea an. Das Hostel ist ausgebucht, aber auf dem Zeltplatz gibt es noch Platz. Für die darauffolgende Nacht buche ich jedoch gleich mal ein Bett und hoffe, dass es diese Nacht nicht allzu stark regnet und mein Zelt dem standhält.
Die 100km habe ich heute wieder nicht voll gemacht, nach 99,4km bin ich am Hostel angekommen und habe – danke Merkel und danke Gegenwind – gar keine Lust mehr gehabt, die letzten 600m noch irgendwo sinnlos rumzufahren.
Laut Wettervorhersage werden die nächsten zwei oder gar drei Tage ziemlich regnerisch und sehr kalt, das Thermometer soll nachts bis auf 3°C fallen. Das ist kein Wetter zum Radfahren und auch nicht zum Zelten. Mal sehen, wie ich die Zeit in dem Kaff hier rumbringe, es gibt nicht mal einen Supermarkt, um etwas zum Essen zu kaufen.
Relive ‚Alexandra – Lake Hawea‘