unter den Radfahrer:innen auf der Nordhalbkugel gibt es seit 2010 eine etwas besondere Veranstaltung. Auf Strava, das ich gerne als das „facebook für Sportler“ bezeichne, hat die Radbekleidungsfirma Rapha eine Herausforderung mit dem Namen #Festive500 ausgerufen: man soll zwischen Heilig Abend und Silvester mindestens 500km Rad fahren.
Im Jahr 2013 war ich auf meinem allerersten ersten Radurlaub in Australien und bin in diesem Zeitraum von der Grenze zwischen NSW und Victoria bis hinter Melbourne gefahren (also dort, wo jetzt auch diese verheerenden Feuer brennen). Ich nahm diese digitale Auszeichnung für die eher nebenbei gefahrenen 590km also einfach so mit.
Zurück in Deutschland konnte ich mir damals immer noch nicht vorstellen, dass man hier im Winter eine solche Strecke zurücklegen könne.
2017 war ich wieder im (langen) Urlaub und fuhr in der Zeit zum großen Teil auf der Tour Aotearoa vom nördlichsten Punkt Neuseelands, Cape Reinga, bis in die Gegend von Auckland. Das waren 680km, die ich bei bestem Radfahrwetter in toller Landschaft machte und damit kam ich auf den 1.384. Platz von 82.700 Teilnehmern.
Im kommenden Winter 2018 war ich nicht im Urlaub, habe aber einfach mal probiert, an dieser Herausforderung trotzdem mitzumachen. Als ich sah, dass andere Bekannte auch dabei waren, war mein Ehrgeiz gepackt und ich wollte es schaffen. Mir gingen dabei zwei Fahrräder kaputt, aber es waren ja noch andere verfügbar und am Ende hatte ich gerade so eben 506 recht hart erradelte Kilometer zusammen.
Inzwischen also schon fast eine Tradition, habe ich es im ziemlich warmen Winter 2019 wieder in Angriff genommen. Dabei war ich auch bei typischem Nebel in der Ulmer Gegend.
Und bin auch sonst mal in der Nähe der Schwäbischen Alb gewesen. Wo genau das hier war, müsste ich mal in den GPS-Daten nachschauen. Aber diese Aussicht hat doch was.
Dies ist – wenn ich es richtig erinnere – noch im Stuttgarter Speckgürtel, irgendwo nordöstlich mit Blick in Richtung Stuttgart.
Da ich ja nicht der Typ bin, der gerne zu einstelligen Uhrzeiten aufsteht, sind meine Touren eben etwas später am Tag gestartet. Verbunden mit den kurzen Tagen, bin ich oft in Dunkelheit gefahren. Einen solchen Sonnenuntergang mit Blick auf Stuttgart, dem Fernsehturm und der Mondsichel habe ich aber nur einmal gehabt. Es war natürlich auch nicht geplant, sondern einfach nur Glück, dass ich genau zu der Zeit an genau diesem Ort war. Ich habe mich nur ein bisschen geärgert, dass ich keine vernünftige Kamera dabei gehabt hatte.
Dann habe ich es auch endlich mal geschafft, zum ersten Mal auf dem neuen, in BW einzigem, Radschnellweg zwischen Stuttgart und Böblingen zu fahren. Man muss dazu erst auf den zweithöchsten Punkt Stuttgarts fahren, die sog. Rohrer Höhe. Aus der Innenstadt, die auf ca. 250m NN liegt, sind das dann schon gute 250 Höhenmeter, bis man dort bei ca. 520m ist. Ob das die weltbeste Wahl für die Strecke war, könnte man ja nochmal diskutieren.
Am Hinweg ist es schon spätnachmittags gewesen, der Rückweg war dann im Dunkeln. Dabei habe ich auch gemerkt, wie die Beleuchtung dort funktioniert. Als ich einbog, war der Radschnellweg im Dunkeln, durch Bewegungsmelder wurde ich erkannt und es waren dann immer drei Laternen vor mir an. Wenn ich eine passierte, egal mit welcher Geschwindigkeit, ging die dritte vor mir wieder an. Hinter mir gingen die Lampen aber nicht mehr so schnell aus.
Auf der anderen Seite von Böblingen wird der Radschnellweg offensichtlich schon mal weiter gebaut. Dort herrscht vermutlich auch noch die Denke vor, dass im Winter ja sowieso niemand Fahrrad fährt, deswegen wurde hier auch weder eine Umleitung noch – Gott bewahre – ein Tempolimit oder gar eine Radspur auf der großen Straße daneben eingerichtet.
Ähnliches auch im Stuttgarter Stadtgebiet. Auch hier wird scheinbar am Waldweg zwischen Feuerbach und Botnang irgendwas gebaut. Niemand weiß es so recht, weil es im Baustellenkalender der Stadt nicht drin steht. Von Feuerbach kommend habe ich keine Umleitung gesehen, in Botnang stand ein Schild, das die Radfahrer:innen und Fußgänger:innen auf einen anderen, nicht asphaltierten Waldweg geleitet hat.
Ich bin natürlich auf der Straße gefahren.
Auf anderen Strecken hatte ich aber mehr oder weniger absichtlich auch Wald- und Feldwege dabei. Dass einige dieser Nebenstrecken durch die Landwirtschaft nur noch schwierig zu befahren waren, hätte ich im Dezember auch nicht gedacht. Mein Rad sah daher auf jeden Fall ziemlich dreckig aus (bzw. es sieht immer noch so aus).
Am 31.12. habe ich mit der letzten, nur noch 37km kurzen Tour, mit der Festive 500 Herausforderung bei 505km abgeschlossen. Ich bin damit auf den 21.126. Platz von fast 120.000 Teilnehmer:innen gekommen.
Überraschend ist der Dezember dann mein Monat mit den drittmeisten Kilometern dieses Jahr geworden. Neben diesen 500km hatte ich ja noch diese andere 180km-Tour und ein paar andere, nicht ganz so lange Touren gemacht.
Dieses Rumfahren bei dem Wetter hat eine gewissen Faszination für mich. Es ist schwierig zu beschreiben. Es ist zwar schon recht kühl, aber nicht so kalt, dass es micht stört. Mein Körper produziert meist genug Wärme, Hände und Füße kriege ich inzwischen halbwegs warm gehalten. An den Anstiegen komme ich ins Schwitzen, auf der Ebene und bergab probiere ich immer etwas langsamer zu fahren, um eben nicht stark zu schwitzen. Solange ich in Bewegung bin, ist es fast schon gemütlich.
Und diese Nachtfahrten in unbekannten Gebieten haben noch einen ganz speziellen Reiz. Es geht meist über irgendwelche Feld- und Nebenwege, in denen ich nichts sehe, keine Bäume oder Gräben neben der Straße, keine Kurven vor mir. Nur ab und an das Piepsen des Navigationsgerätes, wenn es die nächste Abbiegung ankündigt und das Display kurz anschaltet. Dann schaue ich da kurz drauf und probiere mir schnell die Karte zu merken und hoffe, dass ich die kommende Kurve richtig kriege. Auch das ist sehr schwierig zu beschreiben – und vor ein paar Jahren hätte ich die Leute, die mir so etwas erzählten noch komisch angeschaut und sie vermutlich gefragt, ob sie das ernst meinen. Ohne ein Navigationsgerät wäre das vermutlich auch gar nicht möglich gewesen. Da hätte man halt nur sehr gut bekannte Strecken fahren können oder eben nur auf Straßen, mit einem deutlich erhöhten Unfallrisiko.
In Münster gibt es sogar eine Gruppe, die im Winter wöchentlich im Dunkelfieber ist.
Auf jeden Fall habe ich im Dezember diese Art Blume mit meinen GPS-Aufzeichnungen gezeichnet.
Und je nachdem, wie das Wetter nächstes Jahr in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester wird, überlege ich mir gerade, ob ich diese 500km-Strecke nicht auch in einer einzigen Tour fahren könnte. Vielleicht von Stuttgart bis nach Amsterdam….
Schreibe einen Kommentar