im Bed&Breakfast bin ich alleine. Es ist kein weiterer Gast hier gewesen und die HausbesitzerIn sind beide beim Arbeiten. Da es kein Frühstück und auch sonst kein Grund gibt zu bleiben, mache ich mich schon um neue Uhr auf den Weg. Bis zur Fähre nach Fehmarn sind es etwa 85km. Der Wind ist zwar etwas weniger aber immer noch von vorne. Dazu kommt noch ein kurzer Regenschauer, den ich nur mit Poncho überstehe. Ja, jetzt ist es endgültig: Auf Nimmerwiedersehen, Dänemark!
Heute war der „Tag der Brücken“ – wenn ich es noch richtig weiß, bin ich über drei Stück gefahren, die alle ziemlich groß waren. Auf dieser kam mal wieder mein moralisches Gewissen ins Spiel. Warum Leute mitten auf der Brücke eine Prinzenrolle-Plastik-Verpackung hinschmeißen, frag ich mich wirklich. Idioten! Allen Müll kann ich natürlich nicht aufsammeln, aber wenn er hier auf der Brücke liegt und dann definitiv ins Meer fliegen wird, dann drehe ich doch nochmal um und sammle das ein. Danach war noch eine Haribo-Verpackung, bei der ich alle Gedanken schon durchgedacht hatte. Hier brauchte ich also nur eine Vollbremsung machen. Nach der Brücke lag dann noch eine Einkaufstüte neben dem Weg, die ich noch einsammeln wollte (wenn ich sowieso schon dabei bin). Allerdings war dort noch eine Tüte mit einem (Hunde-) Scheißhaufen drin. Hab ich dann liegen gelassen und hat mich wieder darin bestätigt, dass ich zum „Team Katze“ gehöre.
Ja, diese Wolken haben noch über mir abgeregnet. Auf diesem Bild wollte ich eine Windhose fotografieren, wenn ich es richtig weiß, war es die erste, die ich gesehen habe. Bis ich allerdings soweit war, war sie schon fast wieder weg. Ein bisschen rechts vom Schiff kann man sie noch leicht erkennen.
Kaum habe ich das Handy wieder am Lenker fest gemacht, kommt mit diesem Streetart-Kunstwerk das nächste Fotomotiv. Also wieder anhalten, Handy wegbasteln, knipsen, Handy dranmachen, aufsteigen und weiterfahren.
Dann bin ich in Rodbyhavn, wo die Fähre abfährt. Alle halbe Stunde legt eine ab und das Ticket kann man direkt vor Ort kaufen. Es soll 120 dänische Kronen kosten, ich habe noch 150 in Scheinen in meiner Rückentasche, die mit einem Reißverschluss verschlossen ist. Aber ich finde das Geld am Schalter nicht. Auch als ich alle Taschen im Trikot ausleere und durchsuche ist da nix. Scheiße, war es doch aus Versehen in einer andere Tasche und ist beim Rausholen von Keksen oder Bananen oder Armlingen rausgefallen? Noch ein letzter Check, jetzt noch in einer Packtasche – nix, weg. Also zahle ich halt per Kreditkarte. Neben der Sonnenbrille (auf der Wald-Wanderung) und den Schuhen (wo?) ist das jetzt schon das dritte, was mir abgeht. Liegt das am Alter?
Auf der Fähre mache ich mein Rad an einem Motorrad-Stellplatz fest und staune noch über den kompletten ICE, der ebenfalls in dem Schiffsbauch steht. Aufs Bild habe ich ihn nicht drauf gekriegt, aber rechts unten sieht man die Schienen, auf denen er steht. Die Auffahrt auf die Fähre war noch ein Spießruten-Lauf. Jeder der Fähren-Firma-Mitarbeiter hat mich anhalten und warten lassen. Dann kam aus heiterem Himmel das Signal, dass ich weiter dürfte. Dieses Spiel ging fünfmal vonstatten, in der Zeit habe ich mit einem gefundenen Lappen mal wieder etwas Wartung an der Kette gemacht. In den letzten Kilometern hat sich dort einiges an Dreck angesammelt. Und weil ich noch Zeit hatte, habe ich auch das Rad mal etwas sauber gemacht.
Auf der Fähre sind dann die meisten Gäste ins Bordbistro um sich nicht besonders lecker aussehende Speisen zu genehmigen oder in den Bordshop, der ebenfalls nicht zu günstig war.
Ich bin einfach rumgelaufen und habe mich bei diesem verpixelten Bild an der Wand (wie so oft) gefragt: Ist das Absicht (und warum?) oder hat ein Praktikant oder jemand mit „exzellenten Powerpoint-Kenntnissen“ in der Bewerbung dies verbrochen?
Egal – 45min später bin ich in Deutschland. Die zweite Landesgrenze, die ich auf dem Wasserweg überquert habe, und – entgegen den Ankündigungen – wurde auch hier weder mein Pass noch mein Ausweis kontrolliert. Lag vielleicht daran, dass ich per Rad einfach so durch den Zoll gefahren bin.
Für heute habe ich keine Unterkunft gebucht, ich habe gestern Abend keine Lust mehr gehabt und hier in Deutschland bin ich ja auch wieder online. Um halb drei bin ich angekommen, also fahre ich mal los. 60km, bis z.B. Eutin (alleine schon wegen dem Namen müsste man da mal hin) sind bestimmt noch drin.
Auf Fehmarn lief es super: Rückenwind! Und dann musste ich über diese große Brücke über den Fehmarnsund.
Am anderen Ende stand ein Schild: Lübeck, 85km – bisher hatte ich etwa 120km (inkl. der knapp 20km auf der Fähre). Die Mischung aus der aufgestauten negativen Energie (dem Rad ist es egal, mit welcher Art von Energie es gefahren wird) aus Dänemark in Verbindung mit dem Rückenwind, zwei bekannten Jugendherbergen dort und dem „wieder zuhause“-Gefühl hat mich angetrieben und zur Entscheidung gebracht: Ich fahre noch nach Lübeck!
Kucken musste ich ja auch nicht mehr, Deutschland kenne ich ja. Ich konnte mich ganz aufs Fahren konzentrieren. Nur bei dem Turm habe ich mal kurz angehalten.
Irgendwann ging dann selbst meine Power zuneige. Ich hatte außer den zwei Bananen und der Packung Kekse heute nix zu Essen und hier ist gerade eine Erdbeerplantage. Lecker! Das hätte ich mal früher machen sollen, Erdbeeren wurden schließlich überall auf meiner Tour verkauft.
Das hat aber natürlich bei weitem nicht gereicht, also habe ich, als ich Neustadt in Holstein (30km vor dem Ziel) endlich einen Supermarkt gesehen habe, dort auch noch eingekauft und eine kleine Pause gemacht.
Dann war ich, so gegen halb acht, in Lübeck, auf dem Tacho standen 209km. Offenbar ist jetzt alles eingespielt und ich könnte mit einer richtigen Tour beginnen. Kaputt war ich nicht, ich hätte problemlos noch weiterfahren können, hatte jetzt aber wirklich kein Ziel mehr.
In Lübeck habe ich dann natürlich das Holstentor mit einem 50er fotografiert. Keine Ahnung, warum man das so macht, aber irgendwo in meinem Hinterkopf ist das so abgespeichert. ;~)
Es macht auch den Eindruck, als ob es krumm und schief wäre, oder sieht das nur für mich so aus?
Und das ist dessen Inschrift: Concordia Domi Foris Pax. Das kann ich – trotz Inhaber eines großen Latinums – inzwischen natürlich nur noch mit Internet-Übersetzern verstehen: Eintracht zuhause, Frieden im Ausland (oder so). Wie passend, selbst in den heutigen Zeiten.
Achja, die Überschrift „Nordsee-Radreise“ stimmt wohl nicht mehr ganz, inzwischen bin ich ja an der Ostsee….
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