Halifax Pop Explosion #HPX25

als selbsterklärter Experte für kanadische Musik, der ich durch die Besuche bei der Canadian Music Week in Toronto, dem Pop Montréal Festival und dem NXNE Festival ebenfalls in Toronto mit Sicherheit geworden sein muss, hat mich das Werbeplakat für das 25. Halifax Pop Explosion Festival natürlich sofort angesprochen.

Der Name kommt daher, dass vor genau 100 Jahren hier im Hafen von Halifax die bis dato größte Explosion durch die Menschheit ausgelöst wurde, als ein Munitionsschiff explodierte.
Mehr zufällig bekomme ich Wind von einem Rabatt-Code, der eigentlich nur für die lokalen Studenten ist: 50% günstigere Tickets. Statt $109 für den viertägigen Festival-Pass muss ich letztendlich nur knappe $70 zahlen. Ein Tagesticket alleine würde schon $60 kosten.
Als ich das Bändchen abhole, gleich mal eine Neuigkeit: Es hat einen RFID (oder ähnlichen) Chip, der auch beim Eintritt mit (normalen) Smartphones gescannt wird.

Den ersten Tag habe ich schon verpasst. Auf die größeren Hallen habe ich keine Lust, daher schaue ich mir eher mal die kleineren Clubs an. Zuerst bin ich im Bus Stop Theater bei Gianna Lauren, bei der es nach dem Auftritt sogar noch wegen irgendeiner Feier Kuchen gibt. Danach steht Joyfultalk auf dem Plan. Als die ihre Soundzerstörer-Kisten mit vielen Knöpfen und Kabeln aufbauen, schwant mir schon Böses – und ich werde auch nicht enttäuscht. Nix für mich, trotz dieser visuellen Animation im Hintergrund. Ich versuche die Zeit mit einem Powernap zu nutzen, aber danach ist es auch nicht besser.

Also ziehe ich weiter. Nur wenige Meter weiter gibt es jetzt eine Multimediale Installation von und mit Maylee Todd – sowas kann immer etwas schwierig werden, aber ich probiere es mal aus. Die ganze Decke wird als Projektionsfläche für seltsame Videos verwendet, sie selbst erzählt öfters, dass sie die Musik dafür verwendet, ihre Drogentrips und sonstige Probleme zu verarbeiten – dafür ist sie aber noch ganz anhörbar, und wird sogar mit einer Art Harfe vorgetragen. Beim Beenden der Show soll man sich dann überlegen, ob man – ganz im Hippie-Stil – sich neu gefunden und beim Verlassen ein neuer Mensch wird.
Hat bei mir aber nicht funktioniert.

Ich ziehe weiter auf der Straße in den Doppelclub Seahorse Tavern / Marquee Ballroom. Unten in der Tavern scheint Rock auf dem Plan zu stehen, oben ist „Women in Canadian Music“ Thementag. Ich fange mal unten an und sehe zuerst Valerie. Danach schaue ich während der Umbaupause mal hoch in den Ballroom, wo gerade Lido Pimienta eine Show abzieht. Das passt mir aber echt gar nicht; sonderbares exzentrisches Verhalten bei lautem Gekreische. Nicht mein Ding, ich warte noch den nächsten Song ab – der ist aber genauso. Also wieder runter: jetzt spielen Designosaur (wie ich finde der beste Name bei diesem Festival).

Auch in der nächsten Umbaupause probiere ich es wieder oben, aber auch der seichte Pop von Charlotte Day Wilson will mich nicht in den Bann ziehen. Ich langweile ich zwei/drei Songs durch ihr Set, bevor ich wieder nach unten gehe: jetzt zu Fake Palms, wenn ich mich richtig erinnere, zeitweise ohne Gitarre, dafür mit zwei Bässen und Schlagzeug. Schöner Unterschied zur dreigitarrigen Wand plus Bass davor.
Danach spielen noch Partner und fangen (wie ich mal wieder bei den ersten Takten vermute) mit „It’s a long way to the top“ von AC/DC an, nebenbei auch nicht besonders gut gespielt. Das restliche Konzert hört sich auch eher wie eine Schulband an, die sich an Songs von Blink182 und Green Day versucht, aber scheitert. Oben ist leider nichts mehr los, also entscheide ich mich dazu, dies als Zeichen zu sehen und für heute den Heimweg anzutreten.

Am nächsten Tag komme ich wegen diverser Gründe (will dann doch noch schnell was essen, treffe noch andere Reiseradler, etc) nicht dazu, das Hostel zur vernünftigen Zeit zu verlassen. Als ich loskomme, ist mein ganzer Plan hinfällig und ich versuche noch spontan irgend etwas spannendes zu sehen. Zuerst mal im Art Cafe, wo Loveland spielen. Dieses Cafe hat keine Bühne und die 20 oder 30 Zuschauer machen eher den Eindruck Freunde der Band zu sein. Mehr als zwei Songs kriege ich auch nicht mit, bevor hier Schluss ist. Also gehts weiter in den Khyber Art Space. Dort spielen Weaves – hui; da passt gerade alles! Die Lokation, der direkte, nicht besonders gut, dafür laut gemischte Sound und natürlich die Musik. Anspieltipp: Shithole.
Leider auch hier der letzte Auftritt für heute Abend.

Beim Rausgehen komme ich noch an einem solchen Schild vorbei. Das ist doch mal eine vernünftige Ansage! Vielleicht könnten wir das in Deutschland auch mal einführen?

Draußen steht dann noch so ein Snack-Automat rum, der jedoch mit Kunst und Kassetten befüllt ist. Und immer, wenn ich bei solchen kleineren Kunst-Räumen vorbei gehe, finde ich es schade, dass es in Stuttgart aufgrund der Immobilienpreise (und dem fehlenden Willen der Politik) nicht möglich ist, solche Räume ebenfalls in der Stadt bereit zu stellen. Unter 300.000€ wird man solch einen Raum kaum kriegen und das ist für mich als kleines Nebenbei-Hobby echt etwas zu teuer, abgesehen von dem Stress, den man sicherlich mit den Nachbarn bekommen wird.

Als nächstes steht der Pavillon auf dem spontan geschmiedetem Plan, der nebenbei auch ständig wieder umgeschmissen wird. Das ist Halifax’s einziger „All Ages“ Club, was bedeutet, dass es eher ein Jugendzentrum ist. Als ich langsam ankomme, frage ich mich noch, ob das schon Musik ist, die ich dort höre, oder eher eine Klimaanlage? Drinnen löst sich das schnell auf, denn auf der Bühne steht wieder die „Schulband“ Partners. Die Musik trifft mich heute genauso wenig wie gestern und ich gehe nach wenigen Minuten direkt wieder.

Ich mache mich auf den Weg zum Carleton und sehe dort Pony Girl, auch sehr interessant mit Klarinette. Vor einigen Jahren habe ich hier auch nur zufällig July Talk gesehen, die seither zu meinen Lieblingsbands gehören. Die sind mir auch gleich eingefallen, als ich das obige Schild im Khyber gesehen habe; nach einem sehr bescheuerten Zwischenruf bei einem ihrer Konzerte (hier das Video und die Reaktion darauf) hängen sie nun immer „Love lives here“ Poster auf, im Ausland lassen sie es sich auch immer in die jeweilge Landessprache übersetzen (z.B. über Twitter). Hier ein Radio-Interview mit ihnen zu diesem Thema.

Sorrey danach ist mir dann aber auch wieder zu seicht und ich überlege mir, wo ich wohl jetzt noch hingehen könnte. Halbwegs in Laufweite ist das Seahorse/Marquee, also hin da. Als ich ins Marquee reingehe, merke ich, dass es heute etwas anders ist, die beiden Clubs sind getrennt und vor dem Seahorse ist noch eine längere Schlange. Hier im Marquee spielen nochmals die Weaves – aber hier passt es irgendwie nicht mehr so richtig. Für meinen Geschmack ist diese Bühne für diese Band einfach zu groß. Schade, denn vorher waren sie ziemlich interessant!
Ich könnte mich jetzt in die Schlange für Bat Sabbath, eine – Nomen est Omen – Black Sabbath Coverband anstellen. Muss aber auch nicht sein, daher beende ich jetzt das HPX25 für mich.

Ich habe noch eine kleine Geschichte gehört, dass eine Künstlerin fast nicht in den Club zu ihrem eigenen Auftritt gekommen wäre, weil sie keinen Ausweis dabei hatte. Bei einem Club hatte ich auch einen Security-Typen, der echt lange meinen deutschen Personalausweis angeschaut hatte. Dass ich jünger aussehe, habe ich schon öfters mal gehört, aber dass ich in die Nähe von 19 geschätzt werde (was hier das Limit ist), passierte echt schon sehr lange nicht mehr.

Gibt es ein Fazit? Vermutlich, dass die Planung bei einer solchen Veranstaltung ziemlich wichtig wäre. Es gab sicherlich viele Bands, die mir deutlich besser gefallen hätten, als die, die ich letztendlich eher zufällig gesehen habe. Wenigstens habe ich mir ein paar verschiedene Clubs, deren Bühnen und Bars angeschaut. Vielleicht waren diese beiden der vier Festival-Tage auch einfach nicht so ganz mein Ding, wer weiß.
Grundsätzlich finde ich aber Club-Festivals immer noch die beste Idee, um neue Bands, Clubs und somit auch die Städte und Menschen kennen zu lernen. Mal sehen, welches Festival ich als nächstes besuchen werde….


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