Lenzhalde ohne richtigen Gehweg

anti-demokratisch

der Stuttgarter Gemeinderat hat vor etwa zehn Jahren mehrheitlich das „Verkehrsentwicklungskonzept 2030“, kurz VEK2030, beschlossen. Da stehen grundsätzlich sinnvolle Sachen drin und die Hälfte der vorgesehenen Zeit ist auch schon abgelaufen.
Das Thema Gehwege hat dort ein eigenes Kapitel, #9:
„Mehr für Fußgänger tun – Wege und Verbindungen verbessern“
Dort ist u.a. diese Muss-Bestimmung festgelegt:

Um das zu Fuß gehen attraktiver zu machen, müssen die Bedingungen für Fußgänger verbessert werden. Die Fußgängernetze sind in Ihrer Gesamtstruktur teilweise unvollständig [….] die Gehwegbreiten sind oft zu gering oder werden durch parkende Autos [….] eingeschränkt.

Was das bzgl. der Gehwegbreite konkret bedeutet, wird kurz darauf nochmal festgelegt:

Die Funktion eines Gehwegs sollte sich in seiner Breite widerspiegeln. Gehwege sollten generell genug Platz bieten, dass zwei Personen bequem nebeneinander gehen oder sich begegnen können, auch wenn sie übliche Dinge wie Einkaufstaschen oder Regenschirme mit sich führen. Das entspricht in der Regel einer Breite von 2,50m, was einem einbaufreien und nutzbaren Gehweg von 1,80m Breite entspricht. Vielfach ist jedoch eine deutlich größere Gehwegbreite zweckmäßig. Die Stadt Stuttgart nimmt in der Planung als Regelmaß eine Breite von 2,50m und grundsätzlich eine Mindestbreite von 2m an.

Soweit, sogut – könnte man denken. Es ist alles sonnenklar beschrieben, das sollte doch jede:r verstehen.
Aber dann kommt die Verwaltung der Stadt Stuttgart und setzt solche Beschlüsse einfach nicht um!
Im September wurde an der Serpentine auf der Lenzhalde die Straße neu gemacht (OpenStreetMap). Die Baustelle war dort – wenn ich mich richtig erinnere – zwei Wochen. Während der kompletten ersten Woche parkte noch ein Mini direkt in der Baustelle (hier ein paar Tweets dazu). Als ich das mal fotografierte, fragten mich die Bauarbeiter recht verzweifelt, ob das mein Auto wäre und ich es wegfahren könne.

Baustelle an der Lenzhalde mit Falschparker

Man sieht schon deutlich, wie extrem breit diese Straße hier ist und wie schmal der Gehweg im Vergleich dazu ist.

Nach der Fertigstellung der Baustelle wurde das Gehwegparken weiterhin dort angeordnet. Die beiden Fahrspuren sind hier zusammen über 10m breit, der restliche Gehweg ist bei weitem nicht ausreichend für die benötigten 2,5m aus dem VEK2030.Lenzhalde ohne richtigen Gehweg
Auf dem Bild sieht man etwa in der Mitte über dem dunklen Gebüsch ein Bushaltestellen-Schild. Wenn ich dort an der Bushaltestelle um die Kurve herum stehe, kann ich sehen, dass der Gehweg dort breit genug ist und hier auch keine wahnsinnigen >10m Fahrbahnbreite mehr zur Verfügung stehen.Lenzhalde mit Gehweg, vorher
Wenn ich genau an der Stelle nach rechts unten schaue, sehe ich, wie der sowieso schon schmale Gehweg durch die parkenden Autos weiter verengt wird.Lenzhalde ohne richtigen Gehweg
Also schaue ich mir den Gehweg doch mal an. Normalerweise bin ich nur per Rad in der Stadt unterwegs und kriege diese engen Gehwege nicht mit. Auf dieser Collage sieht man, dass es immer noch Autofahrer:innen gibt, die nicht in der Lage sind, ihre Autos korrekt einzuparken – und ich vermute auch, dass solche Parkvergehen trotz eindeutiger Anordnung vom Stuttgarter Ordnungsamt nicht verfolgt werden. Aber selbst wenn korrekt geparkt wird, sieht man rechts, dass dort niemals der demokratisch beschlossene Raum von 2,5m vorhanden ist.Lenzhalde ohne richtigen Gehweg (Collage)
Nach diesen ca. 100m Gehwegparken ist der Gehweg wieder frei. Es sind „nur noch“ die ganz normalen und täglich geduldeten Falschparker zu sehen, wie dieser schwarze Audi im Kreuzungsbereich oder der blaue Jeep dort links auf dem Gehweg.Lenzhalde mit Gehweg, nachher
Also habe ich mit dem offiziellen Instrument der Stadt Stuttgart, der „Gelben Karte„, nachgefragt, wie es die Verwaltung eigentlich mit diesen demokratischen Beschlüssen hält. Die Antwort war – natürlich – ernüchternd.
Man sei „bestrebt, die Vorgaben des Verkehrsentwicklungskonzeptes umzusetzen„. Ganz so, als ob es daran irgendetwas zu diskutieren gäbe. Und dann geht es weiter, dass „es in diesem Bereich keinen Anlass [gibt], in Form von Beschwerden aus der Bewohnerschaft, die Gehwegparkregelung zu überprüfen„.
Entweder habe ich ein falsches Verständnis von Demokratie oder die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Stuttgart. Wozu braucht man ein demokratisch gewähltes Parlament, das unter großen Anstrengungen (die Erstellung des VEK2030 dauerte mehrere Jahre) solche Beschlüsse verfasst – wenn diese Behörde (wie vermutlich viele andere ebenfalls) sich einfach darüber hinwegsetzen?


Kommentare

Eine Antwort zu „anti-demokratisch“

  1. Gemeindeordnung für Baden-Württemberg
    in der Fassung vom 24. Juli 2000
    § 24
    Rechtsstellung und Aufgaben
    (1) Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt. Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister.

    § 43
    Stellung im Gemeinderat
    (1) Der Bürgermeister bereitet die Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse vor und vollzieht die Beschlüsse.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert