eine Frage, die in Städten immer wieder angekratzt wird, aber nie so richtig beantwortet wird:
Wie wollen wir als Gesellschaft mit dem begrenzten öffentlichen Raum umgehen?
Als Beispiel nehme ich hier mal das kurze Stück der Elisabethenstraße zwischen der Gutbrodstraße und dem Bismarkplatz im Stuttgarter Westen (Karte). Das sind etwa 120m und auf jeder Seite parken je ca. 15-20 Autos. Gleichzeitig sind dort 15 Häuser, die durchgängig sechsstöckig sind. Ohne auf die genaue Wohnsituationen in den einzelnen Häusern einzugehen, sind dort also 90 Wohnungen. Nach den Statistiken der Stadt Stuttgart wohnen im Westen etwa 50% Singles, der Rest sind dann vermutlich Paare oder gar Familien. Eine Schätzung über die tatsächliche Anzahl von Bewohner:innen in dieser kurzen Straße ist für mich als jemand, der dort nicht wohnt, also zum Scheitern verurteilt. Aber ich kann wohl guten Gewissens behaupten, dass es bestimmt mehr als 100 Menschen sind.
Und in dieser Straße steht aktuell die Wanderbaumallee Stuttgart. Diese Wanderbaumallee ist ein Projekt von Stuttgarter:innen, bei dem es um die Diskussion über die Aufteilung des öffentlichen Raums geht. Und natürlich nebenbei auch darum, dass die Beton-, Asphalt- und Steinwüsten in den Städten ansprechender gestaltet werden sollen.
Wieso diese Frage immer wieder gestellt werden muss, ist für mich sowieso nicht ganz verständlich. Daher habe ich mal probiert, die Situationen auf Bildern festzuhalten.
Bei diesem Haus wohnt auf jeder Seite und auf jedem Stockwerk eine Partei. Es gibt zweimal je sechs Briefkästen und Klingelschilder. Es sind 12 Parteien, mir unbekannt, wie viele Menschen es konkret sind. Aber was definitiv klar ist: da passen drei Autos vor das Haus – mehr Parkplätze gibt es nicht, keine Hinterhöfe, keine Tiefgaragen.
Wieso wir das einfach so als gegeben hinnehmen, dass da überhaupt die Autos stehen, verstehe ich nicht ganz. Und wieso diese Ungerechtigkeit akzeptiert wird, dass von zwölf Parteien (was insgesamt vielleicht 20 Personen sind?) nur drei Leute ihr Auto dort hinstellen „dürfen“ ist mir auch schleierhaft.
Auf der anderen Seite sieht es genauso aus. Sechs Stockwerke, auf jeder Seite ein Eingang mit je sechs Briefkästen und Klingelschildern. Drei Parkplätze vor dem Haus.
Und noch ein drittes Beispiel aus der Straße. Bei den drei Fotos sieht man die Sitzgelegenheiten der Wanderbaumallee mit ihren Bäumen, Büschen und Beeten, die jeweils einen Parkplatz nutzen. Normalerweise sind da auch meist Leute, die sich dort treffen. Wegen des leidigen Themas „Verpixeln von Gesichtern“ habe ich länger dort verweilt und die Momente zum Fotografieren genutzt, als dort mal gerade niemand saß.
In einer gerechten Welt würden die Bewohner:innen dieser Häuser selbst entscheiden können, was mit dem öffentlichen Raum vor ihrer Haustüre passiert. Ob sie dort drei Autos stehen haben wollen oder etwas anderes könnte in einer gemeinschaftlichen Diskussion entschieden werden. Vielleicht wollen sie solche mobilen Bäume, vielleicht sogar gar keine asphaltierten Parkplätze, sondern ein Grasstück, eine Blumenwiese, einen Mini-Park, einen Spielplatz, eine Hollywood-Schaukel, einen richtigen Baum – oder sogar mehrere.
Ich kann mir gerade nicht vorstellen, dass sich die Mehrheit der Bewohner:innen dafür entscheiden würde, die Autos der Minderheit von Autofahrenden direkt vor ihrer Haustüre zu akzeptieren.
Meine Vermutung sehe ich darin bestätigt, dass z.B. im letzten Bürgerhaushalt der Stadt Stuttgart von den Top10-Vorschlägen aus Stuttgart-West sechs das Themenfeld „Begrünung/Bäume“ haben.
Und ganz abgesehen davon gibt es in Stuttgart-West (wie in vielen anderen Stadtteilen auch) immer weniger Autos, obwohl der Stadtteil wächst.
So lebten z.B. in Stuttgart-West im Jahr 2000 noch 47.022 Bewohner, 2019 waren es schon 52.777. Also eine Steigerung von etwa 12%. Die privaten PKW gingen in der Zeit von 18.314 auf 16.198 zurück, also um etwa 12%. Besonders gut zu sehen ist der Knick in den Jahren 2007 und 2008. Als die Autos drastisch zurückgingen, wuchs der Stadtteil kurz darauf stark an. Die ganzen Zahlen habe ich mir nicht ausgedacht, sondern es sind Zahlen, die von der Stadt Stuttgart im Statistik-Atlas veröffentlicht sind.
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